Mit folgendem Schreiben wird die Stadt Hildesheim zum Handeln aufgefordert:
Sehr geehrter Herr Dr. Meyer,
Tag für Tag wird die Gesundheit der Hildesheimer durch Luftschadstoffe geschädigt, obwohl Gegenmaßnahmen längst geplant sind. Die europäische Umweltagentur schätzt, dass pro Jahr mehr als 10.000 vorzeitige Todesfälle in Deutschland auf erhöhte Stickoxidwerte zurückzuführen sind. Am stärksten ist die Belastung an stark befahrenen Straßen und in den Innenstädten, da die Stickoxide weit überwiegend aus den Abgasen von Autos, vor allem von Diesel-Pkw stammen. Auch in Hildesheim werden die geltenden Grenzwerte für Stickoxide seit vielen Jahren überschritten. Der wirksamste Gesundheitsschutz ist es daher, die Straßen der Innenstadt vom Kraftfahrzeugverkehr zu entlasten und den Anteil der PKW am Verkehrsaufkommen zu reduzieren.
Genau diese Ziele verfolgen der bereits 2010 beschlossene integrierte Verkehrsentwicklungsplan (IVEP) und der 2012 fortgeschriebene Luftreinhalteplan der Stadt aus dem Jahr 2008. Dieser Plan sollte dafür sorgen, dass durch die „flächenhaft verbesserte Luftschadstoffimmission“ der EU-Grenzwert für Stickstoffdioxid bis 2015 eingehalten wird. Wie die jährlichen Messungen zeigen, ist dies jedoch nicht der Fall. Angesichts der Tatsache, dass gerade die die Luftqualität in der Innenstadt betreffenden Maßnahmen der integrierten Verkehrsentwicklungsplanung nicht umgesetzt wurden, kann dies nicht überraschen.
Mindestens die folgenden Maßnahmen aus dem IVEP müssen daher schnellstmöglich verwirklicht werden:
1. Einrichten eines „verkehrsberuhigten Geschäftsbereichs“ mit einer Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h und geringer Kapazität auf der Schuhstraße.
2. Tempo 30 im Straßenzug Dammstraße/Pfaffenstieg sowie in der Kardinal-Bertram-Straße .
3. Tempo 30 in der Neustadt im Straßenzug Wollenweberstraße, Goschenstr., Annenstraße, Hohnsen (bis Struckmannstraße) und geänderte Ampelsteuerung an den Kreuzungen Struckmannstraße und Hindenburgplatz.
Ziel ist, den Durchgangsverkehr aus der Innenstadt zu verdrängen. Dazu dient auch
4. die (im IVEP nicht enthaltene, aber notwendige) Verringerung der Fahrbahnbreite und der Anzahl der Fahrspuren auf der Goslarschen Straße.
5. Zusätzlich soll die Schuhstraße, wie vom Ortsrand Neustadt-Stadtmitte in dessen Sitzung am 15.2.2017 empfohlen, temporär, z.B. in den Sommermonaten, probeweise für den Individualverkehr gesperrt werden.
Diese Maßnahmen senken nicht nur die Schadstoffwerte und die Verkehrsbelastung, sondern auch den Verkehrslärm und erhöhen die Verkehrssicherheit. Dadurch verbessert sich die Aufenthaltsqualität vor allem in der Schuhstraße und die Lebensqualität in der gesamten Innenstadt. Weiterhin tragen sie zur Förderung des Radverkehrs bei. Denn Goslarsche Straße, Schuhstraße, Pfaffenstieg und Dammstraße stellen derzeit noch eine Barriere für den Radverkehr dar. Radfahrer weichen dort auf den Bürgersteig aus, weil sie sich auf der Straße nicht sicher fühlen können. Ein Radfahrstreifen auf der Goslarschen Straße und die geforderten Geschwindigkeitsbegrenzungen im weiteren Verlauf des Straßenzugs erhöhen die Sicherheit der Radfahrenden und steigern die Attraktivität des Radfahrens in Hildesheim, weil das Stadtzentrum besser per Rad erreicht werden kann.
Zusätzliche positive Effekte ergeben sich aus weiteren im IVEP beschriebenen Maßnahmen:
• gezielter Abbau von Barrieren, Schadstellen und Netzlücken im Radverkehrsnetz
• Angebotsverbesserungen im ÖPNV
• Mobilitätsmanagement, Einrichtung einer Mobilitätszentrale
Die Kombination aller Maßnahmen und deren konsequente Umsetzung bringen den Erfolg. Für den Schutz der Gesundheit ihrer Bürger muss die Stadt alles tun, was in ihrer Macht steht. Dazu ist sie nicht nur moralisch sondern auch durch die EU-Luftreinhalterichtlinie verpflichtet. Auf deren Grundlage können Bürgerinnen und Bürger sowie Umweltschutzverbände ihr „Recht auf saubere Luft“ aktuell jederzeit einklagen.
Abwarten und auf eine Verbesserung der Abgasreinigung bei Dieselmotoren und den Durchbruch der E-Mobilität zu setzen, ist jedenfalls keine Option. Derzeit überschreiten selbst neue Dieselfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 6 im täglichen Fahrbetrieb die Emissionsgrenzwerte für Stickoxide. Deshalb muss die Option, Dieselautos mit hohem Schadstoffausstoß aus der Innenstadt zu verbannen, genutzt werden, sobald die Bundespolitik z.B. durch Einführung einer blauen Plakette diesen Weg eröffnet.
Abschließend noch ein Hinweis: Das Land Niedersachsen plant einen Modellversuch zur Umsetzung von Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen niedersächsischer Kommunen. Ziel ist es, Daten über die Auswirkungen von Tempo 30 innerorts auf Lärm, Luft, Sicherheit und Verkehrsfluss zu erhalten. Unter der Federführung des Verkehrsministeriums hat eine Expertengruppe die Rahmenbedingungen für den Versuch festgelegt. Er geht voraussichtlich im März in die konkrete Startphase. Dann soll sowohl die europaweite Ausschreibung für die Suche nach einem entsprechenden Institut als auch die Abfrage bei den Kommunen beginnen, wer Interesse an einer Teilnahme hat.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Köhler
für die VCD Kreisgruppe Hildesheim, den ADFC Hildesheim und die BUND Kreisgruppe Hildesheim